Bereits 1946 wurde er Mitglied im Verein und wich diesem nie mehr von
der Seite. Aber nicht nur die ewige Treue zu «seiner heißgeliebten
Eintracht» macht ihn so besonders, auch seine Kindheit und Jugend als
Jude im Nationalsozialismus lässt diesen Menschen so bemerkenswert
erscheinen.
Im Juni 1931 wird Helmut Sonneberg in Frankfurt als Sohn zweier
jüdischer Eltern geboren, seinen leiblichen Vater lernt er allerdings
nie kennen. Seine Mutter, Ria, lernt als alleinerziehende Mutter den
katholischen Herrn Wessinger kennen und heiratet ihn. Dieser verspricht,
Sonny wie sein eigenes Kind großzuziehen. Sowohl der junge Helmut, als
auch die Mutter Ria lassen sich folglich von einem christlichen Pfarrer
taufen, Sonny ist dabei noch ein junger Bursche. Für die Nazis spielt
das keine Rolle, 1935 machen diese den Antisemitismus mit den Nürnberger
Rassegesetzen salonfähig und legal. Sonny gilt vor Gesetz als Jude und
wird als Kind auf der Straße verprügelt, gedemütigt, angespuckt,
mehrmals muss er mit seinen Eltern umziehen, wird der Familie sogar
entrissen und in ein Heim gesteckt. Zur Schule darf er nicht mehr gehen,
denn jüdische Kinder sollten und durften keine Bildung genießen. Seine
Mutter schafft es, in Sonnys Kinderheim als Dienstmädchen eingestellt zu
werden, um wenigstens den Kontakt zu ihrem Sohn aufrecht zu erhalten.
Sonny hat mittlerweile auch Geschwister, die er aufgrund der
Nazi-Schikane nur äußerst selten sehen kann, diese stammen ja von einem
christlichen Vater und besitzen mehr Rechte als der «Volljude» Sonny.
Bereits als Zehnjähriger wird Sonny gezwungen, den sogenannten
Judenstern auf seiner Jacke zu tragen, seine Mutter verbietet ihm zu
seinem eigenen Schutz nun, das Haus zu verlassen. Der einsame Sonny
verzweifelt, er ist tagtäglich ganz allein und fühlt sich wie im
Gefängnis. Manchmal klappt er seinen Hemdkragen über den
verunglimpfenden Stern und verlässt unter Todesangst die Wohnung, um
Frankfurts Gassen zu erkunden. Doch es kommt noch schlimmer: am 14.
Februar 1945 wird Sonny gemeinsam mit seiner Mutter nach Theresienstadt
deportiert. Die beiden überstehen die letzten Kriegsmonate im KZ und
werden befreit – Sonny wiegt bei Kriegsende als 14-jähriger Junge
weniger als 30 Kilogramm.
Durch sein Schulverbot hat er nach unmittelbarem Kriegsende außerdem ein
Schulniveau wie ein Drittklässler und entscheidet sich für eine
Ausbildung zum Autoschlosser. Parallel dazu tritt er der Eintracht bei
und findet erstmalig in seinem Leben Freunde – ein ausschlaggebender
Grund für ihn, nicht nach Israel auszuwandern, sondern in seiner
Heimatstadt Frankfurt zu bleiben. In diversen Amateurmannschaften kickte
Sonny mit größter Freude für die Eintracht, die Spiele der ersten
Mannschaft fing er kurze Zeit später auch an, zu besuchen. Er schneidert
Anzüge, Hüte, Fahnen in Eintracht-Farben, er bemalt Autos in schwarz und
weiß und fährt mit Freunden zu Auswärtsspielen, allseits bekannt ist vor
allem das Foto von Sonnys Anreise nach Berlin zum Meisterschaftsfinale
1959.
Der Eintracht bleibt er seit dieser Zeit für immer verbunden, die großen
Erfolge feiert Sonny allesamt mit. Doch auch die sportlich mageren Jahre
treiben ihn nicht hinfort.
All diese Jahre, praktisch sein gesamtes Leben lang, lebt Sonny alleine
mit den schrecklichen Erinnerungen aus seiner Kindheit. Erst 2018
schafft er es im Eintracht-Museum von seiner Kindheit im KZ
Theresienstadt zu berichten. Seither reist der weit über 80-jährige
Sonny nun durch die Gegend, an Schulen und zu Veranstaltungen, um von
dem Nazi-Terror zu berichten. Auch wir Droogs haben das große Privileg,
Sonny im Jahr 2021 im Cine Rebelde begrüßen zu dürfen. Im Fanhaus Louisa
erzählt Sonny seine bewegende Geschichte und Eintracht-Fans aller
Couleur hören ihm gespannt und gleichermaßen schockiert zu. Besonders
denkwürdig und bewegend sind dabei die Abschnitte, wo Sonny den Tränen
nahe ist, wenn er an die menschenverachtenden Zustände denkt, in welchen
er als Kind leben musste. An einigen wenigen Stellen muss er inne halten
und sich sammeln, bevor er weiterreden kann. «Ich kann vergeben und ich
kann vergessen, aber die Narben, die bleiben», sagt er damals und muss
sich stark zusammenreißen, um nicht in Tränen auszubrechen. Es geht in
diesem Abschnitt seiner Erzählung um die Bilder, die sich in seinem Kopf
eingebrannt haben: Bilder von Menschen, die nur noch aus Haut und
Knochen bestehen und elendig verhungern müssen. Jeden Tag gibt es
Graupensuppe in Theresienstadt, wenn es die wöchentliche 50 Gramm Ration
Brot und Zucker gibt, hat er diese innerhalb weniger Augenblicke
aufgegessen. Eigentlich möchte er viel lieber über die Eintracht reden,
sagt er immer wieder. An einigen Punkten erkennt man dann, wie Sonny es
geschafft hat, diese Erlebnisse zu verkraften: durch seinen Optimismus
und seine positive Art, die Welt zu sehen. Die Kraft dazu konnte er auch
in der Eintracht-Familie tanken, beteuert er.
Sonnys Optimismus äußert sich auch immer wieder durch sein Schlappmaul,
wie er es selbst nennt. Das erfahren wir als Gäste an diesem Abend auch,
als er endlich ganz euphorisch über die Eintracht reden darf: «Ich weiß
gar net, was ihr alle mit dem dämlische’ Pokal als wollt, ich bin
Meister geworde mit de Eintracht! Den Pokal int’ressiert doch da keine
Sau!».
Im Juli 2022 besucht er die 25 Jahres Feier der Ultras Frankfurt und
zeigt uns wieder, was für ein lebensfroher Mensch er ist. Er freut sich,
dass er zur Familie dazugehört und wie agil man mit 91 Jahren noch sein
kann. Eigentlich verspricht er uns auch, dass er bei uns bleibt, bis wir
noch einmal gemeinsam Meister geworden sind, «dann geh ich» sagt er in
die Runde.
Nun ist es anders gekommen, er hat uns doch schon verlassen und alles
was uns bleibt ist die Hoffnung, einmal für Sonny die Meisterschaft
holen zu können. Wer ihn kennen lernen durfte, wer ihm zuhören durfte,
wird ihn für immer in Erinnerung behalten.
Danke Sonny, für Deinen Mut, über deine grausame Kindheit zu reden.
Danke, dass Du diese Erfahrungen an jüngere Generationen weitergegeben
hast, damit so etwas nie wieder passieren soll. Danke für Deinen Einsatz
bei unserem Verein – treue Seelen wie Dich gibt es nur ganz selten.
Mach’s gut Sonny, grüße uns Deine Meistermannschaft und alle anderen
Eintrachtler, wo auch immer ihr jetzt seid.
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